Lou Partlow. Er war der Spieler, der am 3. Oktober 1920 den ersten Touchdown der NFL-Geschichte erzielt hat. Markus Kuhn hat am 7. Dezember 2014 – also fast 100 Jahre später – seinen ersten Touchdown erzielt. Es war sein einziger und bis heute auch der einzige Touchdown eines deutschen Spielers in der NFL. Ich habe mit Markus gesprochen: Warum er den Touchdown nicht als Karrierehöhepunkt sieht, wieso er jetzt Student ist und ob er mit Sebastian Vollmer eine Konkurrenz zu „Schulz und Böhmermann“ werden möchte.
Wenn man über dich spricht kommt immer der Satz: „Der erste Deutsche, der in der NFL einen Touchdown erzielt hat.“ Kannst du damit leben?
Ganz schwer, aber ja. Es ist eigentlich lustig, weil wenn man über Football spricht, ist es oft was als erstes rauskommt – „erster und einziger Deutsche mit einem Touchdown in der NFL“. Wenn ich jetzt auf meine Karriere zurückblicke, ist der Touchdown eigentlich der kleinste Erfolg den ich persönlich für mich in diesem Sport erreicht habe. Natürlich ist es aber eine tolle Erinnerung. Ich komm‘ damit schon klar. Aber es definiert nicht für mich, was ich in diesem Sport erreicht habe.
Was ist denn aber dein der größte Erfolg, wenn nicht der Touchdown?
Ehrlich gesagt vier Jahre lang, jede Saison bei den New York Giants dabei gewesen zu sein – es überhaupt in die NFL zu schaffen und jedes Jahr diesen extrem harten Konkurrenzkampf zu überleben. Da von 90 Mann auf 53 runter zu kämpfen. Sich wieder hoch zu kämpfen als Starting-Defensive Tackle, bei den New York Giants, die bekannt sind für eine starke Defensive-Line. Das ist es eigentlich, auf was ich am meisten stolz bin.
Erzähl doch bitte trotzdem die Geschichte von deinem ersten Touchdown am 7. Dezember 2014 gegen Tennessee. Markus Kuhn schreibt Geschichte…
Es war eine Pass-Situation. JPP – Jason Pierre-Paul – hat seine Aufgabe wie immer gut gemacht und ist an den Quarterback heran gekommen, hat ihm den Ball aus der Hand geschlagen. Dann ist der Ball vor mir herum gekullert. Was wir im Training jedes Mal hören ist: „Rennt zum Ball – da passieren gute Dinge!“ So war es dann auch. Ich hatte das Glück, dass der Ball relativ gut nach dem Fumble herum gedobst ist. Ich konnte mich gut von meinem Gegner lösen, habe den Ball aufgegriffen und bin ein bisschen über 20, 25 Yards relativ frei in die Endzone gelaufen.
Dann war mir in dem Moment auch gleich bewusst: „Oh! Ach du ….“. Das ich überhaupt einen Touchdown schaffe war schon im College immer ein Traum, weil es einfach cool ist – gerade als Defense-Spieler einen Touchdown zu haben. Dann natürlich in der NFL, in dieser Liga zu punkten, als Verteidiger, das war natürlich ein unglaubliches Gefühl. Ich glaube, wenn man das Foto mal gesehen hat, wie ich da mit ausgebreiteten Armen in die Endzone laufe, dann beschreibt genau das auch das Gefühl, was mir in dem Moment durch den Kopf gegangen ist.
Der Ball liegt jetzt bei dir zu Hause in New York in der Wohnung?
Bei mir in meiner Wohnung in New York hängen nicht viele Erinnerungsstücke an meine Football-Zeit herum, aber das ist wirklich eine Besonderheit. Der Ball ist in einer schönen Vitrine im Wohnzimmer und – wohl oder übel – sehe ich den jeden Tag.
Was für schöne Erinnerungen an seine NFL-Zeit hat denn Markus Kuhn in seinem Kopf?
Natürlich, vom damaligen Super Bowl Champion, den New York Giants gedraftet zu werden und dann zum ersten Mal in diese Umkleidekabine herein zu kommen. Das ist – nicht angsteinflößend – aber man hat eine gewisse Ehrfurcht. Man trainiert auf einmal mit diesen Jungs . Gegenüber von meiner Kabine war die von Eli Manning und dann ist es plötzlich nicht einer, mit dem man im Videospiel spielt oder den man im Fernsehen sieht, sondern mit dem duscht man jetzt ab und zu, man isst mit ihm jeden Tag und sitzt in Meetings.
Ja und dann natürlich auf dem Feld, wenn man z.B. gegen die Dallas Cowboys spielt und man ist kurz vor der Endzone, muss die verteidigen und schafft das auch drei oder vier Mal, dann ist das einfach ein Kräftemessen, das es vielleicht so im Sport allgemein oder auf diesem Level nur ganz wenig gibt. Das sind kleine Erinnerungen an denen man hängt. Diese Atmosphäre in den Stadien, da rein zu laufen, mit 60 oder 80.000 Zuschauern, das sind natürlich ganz besondere Momente, die man nicht mehr vergessen wird.
Du hast mit nicht mal 30 Jahren schon deine Karriere beendet. Warum?
Ich habe für amerikanische Verhältnisse sehr spät angefangen mit dem Sport und bin erst mit 21 aufs College gekommen. Die durchschnittliche Karriere eines NFL-Spielers dauert etwa drei Jahre. Ich habe 5 Jahre geschafft, habe also den Durchschnitt gebrochen. Als es nach den Giants bei den New England Patriots nicht geklappt hat, habe ich relativ schnell gemerkt, dass es für mich persönlich gereicht hat und mir diese Liga auch persönlich alles gegeben hat. Dass ich jeden Tag von anderen Männern angeschrien werde und auch dieses körperliche Quälen, da glaube ich, dass ich alles erlebt habe. Deshalb war es okay etwas Neues anzufangen.
Jetzt studierst du an der Columbia Uni in New York Sportmanagement. Was sagen die anderen Studenten dazu, dass da Markus Kuhn sitzt?
Natürlich ist es das eine, dass man an der Uni erkannt wird. Man stellt sich auch immer vor. Wenn man dann in den Vorlesungen sagt: „Ich war die letzten 4 Jahre bei den Giants, komme gerade von den Patriots. Außerdem bin ich der einzige Deutsche mit einem Touchdown in der NFL!“ – dann guckt der ein oder andere Kommilitone schon mal etwas komisch aus der Wäsche und sagt: „Na toll, was soll ich jetzt von mir erzählen, wenn der Markus so vorlegt?!“. Lustige Geschichten, aber die anderen haben auch sehr gute Vergangenheiten im Sport oder im Geschäftsleben. Also eigentlich alles sehr cool.
Du machst seit kurzem auch einen NFL Podcast zusammen mit Sebastian Vollmer. „Die Vollmer + Kuhn Show„. Da quatscht ihr total launig über die Liga. Wollt ihr „Schulz und Böhmermann“ für Football-Fans werden?
Wenn Schulz und Böhmermann launig reden, dann passt es wahrscheinlich zu uns. Also bei uns geht es eher darum, dass wir nicht zu extrem den Sport analysieren. Natürlich sind der Sebastian und ich nah am Football dran. Aber ich finde, wer die Statistiken braucht, der kann das auch einfach mal googeln. Sebastian und ich haben diesen Vorteil, dass wir zu den wenigen Menschen gehören, die es in die NFL geschafft haben. Jetzt für die deutschsprachigen Fans zwei Deutsche zu haben, die Insider-Storys liefern – in diesem Zusammenspiel – das macht uns einfach Spaß. Das es da nicht immer ganz so ernst abläuft, dass ist dann auch okay.
Dann bewerte doch mal aus Insider-Sicht deinen deutschen „Nachfolger“ Equanimeous St. Brown in Green Bay:
Also erstmal für ihn: Riesen Respekt, dass er sich in der NFL so hervor gearbeitet hat. Er war auf einem guten College, jetzt wurde er gedraftet und ist in einem Team gelandet mit einem der besten Quarterbacks der Liga. Ich glaube für ihn ist die Karriere noch lange nicht vorbei. Man sieht ihn vielleicht noch nicht so oft auf dem Spielfeld. Aber wenn, dann glänzt er auch immer mit ein paar guten Catches. Er macht seinen Job wirklich gut. Ich freue mich einfach weiter, wenn deutsche Spieler den Sprung in die NFL schaffen. Das ist auch für die deutschen Fans dann ein Anhaltspunkt. Man hat etwas mehr Bezug, hört vielleicht mal ein deutsches Interview. Da wünsche ich jedem Deutschen, der in der Liga ist, viel Glück und viel Erfolg.
Wer packt es denn aus deiner Sicht zum Super Bowl LIII nach Atlanta?
Wenn man über den Super Bowl spricht, ist es schwierig nicht über die New England Patriots zu sprechen. Sie haben einfach die letzten Jahre zu viel bewiesen. Aber man muss ganz klar sehen, dass die Los Angeles Rams mit einem sehr guten Team und sehr viel Talent dabei sind. Mit einem jungen Coach, der den Puls des Teams zu spüren scheint. Vielleicht packen die es. Ansonsten macht Kansas City einen guten Job. Aber natürlich: Das ist die beste Liga der Welt, es gibt keine schlechten Teams in der NFL und deswegen gibt es auch keine schlechten Spiele. Egal welches Spiel man schaut, es wird immer interessant sein!
Vielen Dank für das Interview!
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