Wolff Fuss? Das ist doch dieser Fußball-Kommentator? Ja, genau mit diesem Wolff Fuss habe ich über American Football gesprochen. Wieso? So oft wird der Football mit dem Fußball verglichen. Beim Football gibt es seit Ewigkeiten einen Videoschiedsrichter – und er funktioniert. Beim Fußball wird darüber jede Woche aufs Neue gejammert. Genau wie über Eintönigkeit der Bundesliga oder Millionen-Transfers. In der NFL gibt es stattdessen einen Draft, ein Salary-Cap und die vergangenen 5 Jahre haben 5 verschiedene Teams den Super Bowl gewonnen. Was Wolff Fuss darüber denkt und wie er als Münchner das NFL-Spiel in seiner Heimatstadt sieht – all das gibt es jetzt hier im Interview.
Wolff Fuss kommentiert aktuell hauptsächlich bei sky die Fußball Bundesliga. Auch bei Sat1 macht er einzelne Fußballspiele. Er arbeitet dann also quasi “Tür an Tür” mit ran Football. In der Vergangenheit war Wolff Fuss auch bei LIGA total zu hören, ganz früher noch bei DF1 und Premiere. Man kann wohl ohne Zweifel sagen, dass er zu den bekanntesten Stimmen im deutschen Fußball gehört – wenn nicht sogar die bekannteste Kommentatoren-Stimme ist.
Wolff, welche Verbindung hast du denn zum American Football?
Wolff Fuss: Ich habe zwar wenig Verbindung, kenne mich auch nicht so gut aus. Aber ich habe eine große Faszination für diese Sportart. Wenn ich am Sonntagabend durch die Programme zappe, bleibe ich oft beim Football hängen und gucke mir das eine Weile an. Den Super Bowl verfolge ich auch jedes Jahr.
Du sprichts von einer großen Faszination. Was ist denn das Faszinierende für dich beim Football?
Das Faszinierende für mich ist, wie choreografiert das alles ist. Welche Akzeptanz die Fans haben bezüglich Werbepausen. Dazu die Stimmung im Stadion, die Hymne, wer macht was, wer steht wo, wann kommen die Flugzeuge vorbeigeflogen. Dann natürlich auch das Sportliche. Dass da absolute Schwergewichte im höchsten Tempo aufeinander zulaufen. Ich habe mir vorgenommen das Spiel in München anzugucken, um die Dynamik mal aus nächster Nähe mitzuerleben.
Ich kann mir vorstellen, dass du beim NFL-Gucken auch auf den Kommentator achtest, oder?
Grundsätzlich ist es ja so, dass du als Kommentator ein gewisses Handwerk beherrschen solltest. Du musst den Leuten erklären wer in welchen Trikots spielt, wer auf welcher Seite steht. Dann Dinge wie First Down, Second Down, wie viele Yards sind noch zu gehen etc. Alles was dort herum passiert, hat dann mit der Individualität der Kommentatoren zu tun. Ich freue mich immer wenn ich das Gefühl bekommen, da sitzt jemand, der das gerne macht, der eine gewisse Persönlichkeit mitbringt und der sein Handwerk versteht.
Glaubst du, dass viele Football-Fans in Deutschland vom Fußball Abstand genommen haben, weil sie da übersättigt sind? Übersättigt von Nations League, Conference League und WM in Katar?
Wenn die Leute übersättigt sind von Katar und totaler Vermarktung, sich aber dem Football zuwenden, dann passt da was nicht. Football wird noch viel mehr vermarktet. Man stelle sich mal vor, ein Bundesliga-Spiel wie z.B. Bayern gegen Mainz würde in Los Angeles stattfinden – das wäre dem deutschen Fußball-Fan nicht zu verkaufen! Wenn aber die NFL mit einem Spiel nach München kommt, drehen alle durch. Ich glaube, dass der Hype ein Stück weit mit der Präsentation in Deutschland zu tun hat. Da leisten die Kollegen von ran Football seit Jahren eine tolle Arbeit. Sie sorgen dafür, dass der Football als Sport dargestellt wird, aber auch als Entertainment. Diesen Entertainment-Part muss der Fußball erst noch lernen. Da kann man natürlich fragen, ob das überhaupt erstrebenswert ist. Ich glaube schon. Wenn der Fußball neue Märkte erschließen will, dann muss er sich aus der Regionalität ein Stück weit lösen. Wenn er es nicht will, dann ist es auch okay. Ich persönliche finde aber beide Wege faszinierend. Ich kann auch der Regionalität im Fußball etwas abgewinnen. Wenn am Sonntag Nachmittag beim Dorfverein 200 Zuschauer austicken, der Feuerwehrmann als Mittelstürmer nach Flanke vom Maurer das Tor macht – und danach werden 3 Kisten Bier getrunken – auch das hat seinen Reiz.
Sollte denn der Fußball etwas vom Football übernehmen? Stichwort Salary Cap oder die Schiedsrichter-Arbeit?
Der Fußball ist natürlich sehr traditionsbehaftet und das kannst du nicht von heute auf morgen ändern. Ein Salary Cap wäre in Europa sicher juristisch sehr schwer durchzusetzen. Den Videoschiedsrichter gibt es jetzt 5 oder 6 Jahre und du hast bis heute noch immer viele unterschiedliche Meinungen dazu. Was die NFL schon sehr lange verstanden hat und was der Fußball lernen kann, ist, dass du dich öffnen musst, um Aufmerksamkeit zu generieren. Du musst auch mal zulassen, dass z.B. Kameras in die Kabine kommen. Der Erfolg von Reportagen wie All or Nothing über Manchester City oder den FC Arsenal zeigt, dass es offensichtlich ein großes Interesse gibt. In der NFL ist es Standard, dass die Kameras in der Kabine sind und dass den Jungs auf die Unterhose geguckt wird. Dadurch schaffst du eine gewisse Nähe. Sicher, man sieht nicht alles und relevante Dinge passieren weiter hinter verschlossenen Türen. Aber du gibst dem Fan das Gefühl, Teil des Ganzen zu sein.
Auch die Fußballer müssen verstehen – in guten und in schlechten Zeiten – das Interviews gefordert sind. Das ist etwas, was die Öffentlichkeit extrem wertschätzt. Aber im Fußball ist es immer noch so, dass die Beteiligten einfach mal nichts sagen können. Ich erinnere mich an Pep Guardiola. Der hat zu seiner Zeit als Trainer in München vor dem Spiel nie mit den übertragenen Sendern gesprochen. Das kann eigentlich nicht sein! Die Sender zahlen irre viel Geld, um die Spiele zu zeigen. Da ist für meinen Geschmack eingepreist, dass der Chef-Trainer vor dem Spiel etwas sagt. Da hat die Bundesliga im Vergleich zur NFL auf jeden Fall noch Nachholbedarf.
Kommen wir mal zum NFL-Spiel in München. Du wohnst in der Stadt. Bekommst du schon etwas von dem Hype mit?
Oh ja. Vor allem, wenn es um die Tickets für das Spiel geht. Das habe ich in dem Maße zuletzt beim Champions League Finale 2012 in München erlebt – beim “Finale Dahoam”. Die Leute hier wollen Teil des Events sein. Das ist spannend. Denn Traditionalisten beim Fußball sind oft gegen einen Eventcharakter. Man erinnere sich an Helene Fischer beim Pokalfinale. Beim ersten Bundesliga-Spiel in diesem Jahr wurde bei der deutschen Nationalhymne gepfiffen. Ich bin gespannt, was beim NFL-Spiel in der Allianz Arena passieren wird. Da können die sicher spielen was sie wollen und die Fans drehen (im positiven Sinne) durch. Die zahlen 15 Euro für einen Hotdog, 150 Euro für ein Trikot und würden im schlimmsten Fall 1.000 Euro für eine Karte zahlen, auch wenn sie ganz oben sitzen und auf dem Feld nur wenig erkennen können. Das ist schon grandios.
Wirst du denn auch beim Spiel im Stadion sein?
Ich habe mich noch nicht bemüht. Es kann aber sein, dass ich Teil des Rahmenprogramms sein werde, um die Verbindung vom Fußballstadion zum Footballstadion herzustellen. Wenn die sagen, ich soll 5 Minuten durchs Bild laufen, dann werde ich 5 Minuten durchs Bild laufen und mich danach auf meinen zugewiesenen Platz setzen oder stellen und das Spiel verfolgen.
Könntest du auch ein NFL-Spiel kommentieren?
Nein! Um Himmels Willen. Da gibt es andere, die das besser können. Da lasse ich die Finger davon! Das wäre wie eine neue Sprache, die ich lernen müsste.
Wohin kann die Reise gehen, wenn der Football weiter Druck auf den Fußball macht?
Ich glaube, es würde dem Fußball nicht gerecht werden, wenn man ihn plötzlich total verändert. Man muss schon beim Spiel bleiben und darf den Ursprung nicht vergessen. Es geht aber um so viel Geld, warum sollte man sich da nicht weiter am Hilfsmittel Videoassistent bedienen? Wieso sollte nicht auch ein Schiedsrichter seine Entscheidung im Fußballstadion erklären können, wie er es beim Football macht? Der Fußball muss seine Distanz zum Publikum verringern und Nahbarkeit schaffen. Das geht auch ohne den Grundcharakter dieses Spiels zu verändern. Ich glaube, dass der Fußball vom Football mehr lernen kann, als umgekehrt!
Eine Antwort
So, wie für Wolff-Christoph Fuss (darf man den zweiten Teil des Vornamens hier nicht nennen?) die Regionalität des Fußballs seinen Reiz hat, ist doch American Football auch nicht nur NFL. Abseits des Spektakels der großen Profi(t)liga gibt es für die Interessierten genug weitere Ligen des Sports und wer mag, hat das Team um die Ecke.
Und wenn die Bundesliga es könnte, gäbe es das Spiel Bayern gegen Mainz 05 auch in LA. Vermutlich liegt es weniger daran, es den Fans hier nicht verkaufen zu können, als daran, dass sich in Kalifornien dafür weniger interessieren. Anders Spiele aus der Premier League oder der Clasico in Spanien. Ich weiß auch nicht, warum er bei der Frage nach einer Übersättigung durch den Fußball auf die Vermarktung des Football kommt. Es ist doch eben das Besondere an der NFL, dass man innerhalb von 23 Wochen und maximal 21 Spielen den Meister ermittelt und nicht z.b. die Bayern-Spieler in 34 Ligaduellen, dazu noch bis zu sechs DFB-Pokalpartien und 13 Champions League Begegnungen, plus Länderspiele etc. erleben darf.